Die erste Brot-Sommelière der Schweiz - im Gespräch mit Gabi Meier
Brot ist weit mehr als ein Grundnahrungsmittel. Es ist Kultur, Geschichte, Handwerk, und vor allem ein Stück Identität. Kaum etwas begleitet uns so alltäglich wie Brot. In der Bäckerei Konditorei Café Meier in Basel dürfen Brote noch das sein, was sie sein sollen: ehrliche Lebensmittel, die Zeit, Aufmerksamkeit und Wissen brauchen. Es wird geforscht, geknetet, gerochen, probiert, verworfen, neu gedacht, bis jedes Brot seinen eigenen Charakter hat.
Hinter dieser Philosophie steht Gabi Meier, Bäckerin in dritter Generation und seit 2025 offiziell die erste Brot-Sommelière der Schweiz. Mit ihrem Wissen über Getreide, Aromen und handwerkliche Prozesse möchte sie zeigen, wie vielfältig und faszinierend Brot sein kann. Für sie ist Brot kein Produkt, sondern ein Erlebnis, das alle Sinne anspricht.
Gabi, wie wird man eigentlich Brot-Sommelière?
Die Ausbildung ist intensiv und umfassend. Sie verbindet Handwerk, Wissenschaft, Sensorik, Lebensmittelrecht, Kulturgeschichte, moderne Technik und Genusskultur. Mich hat besonders fasziniert zu lernen, warum ein Brot schmeckt, wie es schmeckt: wie Kruste entsteht, wie Aromakomponenten sich entwickeln, wie Fermentation, Textur, Verdaulichkeit und Mikrobiom beeinflussen, und wie sich unterschiedliche Getreide wie Weizen, Dinkel, Roggen und Urgetreide sensorisch unterscheiden.
Ich wollte Brot wirklich verstehen – nicht nur backen, sondern im wahrsten Sinne begreifen.
Was bedeutet diese Ausbildung für deinen Alltag in der Bäckerei?
Heute betrachte ich jedes Brot mit einem völlig neuen Verständnis. Ich denke in Aromen, Texturen, Röstreizen, Krustenbildern, Teigführungen und Fermentationsprozessen. Unsere Brote entstehen aus hauseigenem, über Jahre gepflegtem Sauerteig oder aus Vorstufen wie Poolish oder Brühstück. Immer mit dem Ziel, Aroma, Bekömmlichkeit und Charakter zu vertiefen.
Diese Haltung lebt unser ganzes Team: Jedes Brot erhält genau die Zeit, die es braucht. Ohne Druck, ohne Abkürzungen.
Die Ausbildung hat meinen Blick auf Brot umfassend erweitert. Ich habe gelernt, es nicht nur handwerklich, sondern auch sensorisch, historisch und wissenschaftlich zu begreifen. Von Getreide- und Aromenkunde über Fermentation, Mikroflora und Teigphysik bis hin zur Weinheimer Brotsprache, mit der wir Brote in zehn sensorischen Dimensionen erfassen. Und natürlich auch die Geschichte: vom mittelalterlichen Basler Brot und den Brotlauben am Marktplatz bis zu den Pfennwert- und Baslerbrotsorten, die unsere Region bis heute prägen.
Was macht dein Brot besonders?
Wir arbeiten ausschliesslich mit ehrlichen und regionalen Rohstoffen. Mehl, Wasser, Salz. Manchmal etwas Hefe. Keine Zusätze, keine Halbfabrikate. Brot soll pur und echt sein. Alle unsere Rezepte sind Eigenkreationen, die es nur hier gibt. Ich liebe es neue Kreationen zu entwickeln. Mein Herzstück ist das „Entscheidungsbrot“ meiner Projektarbeit. Eine moderne, aber tief in Basel verwurzelte Interpretation des Basler Brots: Dinkel-Halbweiss, lange Fermentation, nussig-süssliche Aromatik und dunkle Röstaromen.
Für mich verbindet gutes Brot Tradition, Innovation und Sensorik. Das Alte bewahren, aber mutig weiterdenken.
Du führst die Bäckerei bereits in dritter Generation. Was bedeutet dir diese Geschichte?
Sehr viel. Unsere Bäckerei ist meine Lebensgeschichte. Ich bin zwischen Mehlstaub, Backofenwärme und Stammtischkultur gross geworden. Meine Eltern und meine Grosseltern haben mir gezeigt, was echtes Handwerk ist: Hingabe, Disziplin, Herz. Diese Werte prägen uns bis heute und ich möchte sie an mein Team, und unsere Kundschaft weitergeben.
Was wünschst du dir für die Zukunft des Bäckerhandwerks?
Ich wünsche mir, dass Menschen Brot wieder bewusst geniessen. Dass sie spüren, wie viel Zeit, Wissen und Erfahrung in einem guten Brot steckt.
Handwerk soll wieder seinen Wert haben. Nicht als Trend, sondern als Haltung. Und ich möchte als Brot-Sommelière meinen Teil dazu beitragen: mit Wissen, mit Begeisterung, mit neuen Ideen und mit festen Wurzeln in der Basler Brottradition.